Projekt

Namensgebung Forschungsschiff

Written by Sascha Brachwitz März 15, 2023 0 comment

Das Helmholtz-Zentrum Hereon Geesthacht bat mich, im Rahmen des Neubaus und der Benennung des neuesten Küsten- und Meeresforschungsschiffes, den potenziellen Namensgeber unter verschiedenen Gesichtspunkten unter die Lupe zu nehmen.

Der Namensgeber ist der französische Physiker Gaspard Gustave de Coriolis. Gleich vorangestellt, der Name ist, soweit es meine Recherchen ergaben, unbelastet und kann für die Benennung des Schiffes verwendet werden.

Gaspard Gustave de Coriolis

Inmitten der Wirren der französischen Revolution 1792 als ältestes von sechs Kindern geboren, wuchs Gaspard Gustave de Coriolis größtenteils in Nancy auf, wo sein Vater, Jean-Baptiste-Elzéar Coriolis, das Leben eines Industriellen als Tabakproduzent führte. Zuvor war sein Vater Offizier. Zunächst als Unterleutnant im Bourbonnais-Regiment (1773), anschließend im Rochambeau-Corps in Amerika kämpfend (1780) und nach seiner Rückkehr nach Frankreich zum Hauptmann befördert (1784), wurde er im Jahre 1790 Offizier am Hofe König Louis (Ludwig) XVI.

Die Monarchie in Frankreich war bereits am Bröckeln, als Coriolis Vater den Posten am Königshof antrat, was den loyalen Monarchisten in der Folge in ein Dilemma führte. So floh der König am 21. Juni 1791 aus Paris, wurde aber in Varennes gefasst und in die Hauptstadt zurückgebracht. 

Am 21. September 1792, also vier Monate nach der Geburt Coriolis, wurde in Frankreich die Monarchie abgeschafft, die Republik gegründet. Die Familie floh nach Nancy und der Vater verdingte sich fortan an Industrieller.

Das Haus von Coriolis wird in der Provinz Aix seit 1487 erwähnt.

König Louis XVI. wurde im Januar 1793 durch die Guillotine in Paris hingerichtet.

Die Familie von Coriolis´ Mutter, Marie-Sophie de Maillet, entstammt einer aristokratischen Linie aus Lothringen. Ein Vorfahre aus dieser Linie, Benoît de Maillet, war Diplomat, Reisender, Historiker und Geologe. Dieser beschrieb bereits etwa 100 Jahre vor Charles Darwin, dass alles Leben aus dem Meer stamme. Benoît de Maillet erscheint so als einzig wissenschaftlich tätige Person in Coriolis´ Stammbaum.

Coriolis selbst ging in Nancy zur Schule und besuchte ab 1808 die École Polytechnique, wo er später auch, nach dem Tod seines Vaters, aus finanziellen Gründen eine Stelle als Tutor annahm. Vornehmlich hier erarbeitete er sein wissenschaftliches Grundwerk zur Bewegung von Körpern und lieferte die erste exakte Definition für die kinetische Energie und die mechanische Arbeit.

Sein wissenschaftliches Werk soll an dieser Stelle nicht näher beleuchtet werden, da dies bereits als Grundlage für die Schiffsbenennung dient und somit umfänglich bekannt sein sollte.

Weitere Lebensabschnitte Coriolis´ umfassen eine Professur an der École Centrale des Artes et Manufactures ab 1829. Einen Lehrauftrag an der École Polytechnique lehnte er zugunsten seiner Forschungen zunächst ab.

Weiterhin zog es ihn 1832 an die École des Ponts and Chaussées.

Auch wenn er keine offiziellen Ämter an der École Polytechnique bekleidete, lehrte er hier noch bis 1838.

Danach beschloss er, sich ausschließlich der Forschung zu widmen. Bereits 1836 wurde er in die Académie des sciences aufgenommen.

In der Folge wurde Coriolis zum Direktor für Studien an der École Polytechnique, eine Aufgabe, die er über die Maßen gut erfüllte. Sein sich verschlechternder Gesundheitszustand ließ ihn im Frühjahr 1843 sämtliche Ämter aufgeben und er starb wenige Monate später am 19. September im Alter von nur 51 Jahren in Paris.

Seine Ehrungen umfassen unter anderem:

  • Namentlich auf dem Eiffelturm als einer von 72 Wissenschaftlern und Ingenieuren verewigt
  • Benennung des Mondkraters Coriolis (1970)
  • Benennung des Asteroiden (16564) Coriolis (2006)
  • Benennung des kanadischen ozeanografischen Forschungsschiffes Coriolis II (2001)
  • Benennung des Coriolis Institute an der École Polytechnique (2009)
  • u.v.m.

Zusammenfassend kann nun, unter Vorbehalt, die Behauptung aufgestellt werden, dass Gaspard Gustave de Coriolis sein Leben der Wissenschaft gewidmet hat und sich, zumindest öffentlich, nicht politisch betätigte. Auch moralisch zweifelhafte Aktivitäten sind über Coriolis nicht bekannt. Was die politischen Einstellungen seiner Vorfahren angeht, so waren diese nicht Teil dieser Betrachtung und flossen somit auch nicht in die Ergebnisse dieser Recherche ein.

Im Folgenden führe ich die genutzten biografischen Werke auf, auf deren Basis diese Einschätzung beruht:

  • Alexandre Moatti, Gaspard-Gustave de Coriolis (1792-1843): Mathematiker, Theoretiker der angewandten Mechanik (Dissertation), Universität Panthéon-Sorbonne – Paris, Paris 2011.
  • Alexandre Moatti, Le mystère Coriolis, Paris 2014.
  • L.S. Freiman, Gaspard Gustave Coriolis, Moskau 1961.
  • Nicolas Aimé Renard, Notice historique sur la vie et les travaux de G. Coriolis, Nancy 1861.
  • Christian Labrousse; Jean-Pierre Poirier, La science en France: Biographisches Wörterbuch französischer Wissenschaftler vom Jahr 1000 bis heute, Paris 2017.

Was sagt die Presse zum Neubau?

Hamburger Abendblatt

Binnenschifffahrt Online

Hamburger Wochenblatt

Bautagebuch des Helmholtz-Zentrum Hereon

Bild Header: Hitzler Werft / Hereon

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